Schauspielhaus
Flausen

Zugegeben, ich möchte am Theater die Geschichte, um die es geht (zumal wenn sie großspurig angekündigt wird), gezeigt kriegen, aber mich interessieren auch Aufführungen, die nicht-linear oder dekonstruiert, gar verrätselt sind. Was ich nicht leiden kann, ist, dass mir eine Geschichte vorenthalten wird, dass Verrätselung ein Selbstzweck ist. Und unerträglich sind mir Aufführungen, in denen mit von allen möglichen anderen Aufführungen bezogenen Elementen beliebig herumhantiert wird, um eine Auseinander­setzung und eine Regie-Handschrift vorzutäuschen und Modernität, die sich indes aus leblosen Versatzstücken nie schlagen lässt.

Ein ganz ausgefallenes Abendessen (Foto © DIELAEMMER)
Ein ganz ausgefallenes Abendessen (Foto © DIELAEMMER)

Eine solch leblose und von jedwedem sinnlichen Zusammenhang befreite Theateraufführung war im Schauspielhaus von der Gruppe DIELAEMMER zu besichtigen, die sich auf eine vermutlich wunder­bare Erzählung („Ein ganz ausgefallenes Abendessen“) von Fernando Pessoa wichtig draufsetzt und sie durch – oft als lustig ausgestellte – Einfälle zerfurzt. Aber es stinkt nicht, nicht einmal das: es ist alles sauber, nett, belanglos und langweilig. Einzig eine jugendliche, gar naive Kunstanstrengung, die als Begeisterung mitunter schwach durchscheint, lässt den Abend nicht gänzlich unsympathisch erscheinen. Andererseits ist die Frage zu stellen, wieso Flausen, wenn sie nur von jungen Ehrgeizigen (diesfalls von Alex. Riener, die als Regisseurin gelistet ist) verbreitet und als Avantgardismen getarnt werden, schon allein deshalb Ermunterung, Lob und Förderung verdienen.

Im ersten Teil mehrere Tische, je einer pro Gast, wie sich herausstellt, haufenförmig angeordnet, d.h. je zwei neben­einander, die Gäste sitzen seitlich, nur der Gastgeber Prosit (Florian Tröbinger) sitzt und steht am hintersten Tisch frontal zum Publikum. Ganz hinten rechts eine Badewanne, etwas davor ein Ständer mit Mikrofon. Am Anfang sitzt eine Frau, Meyer (Stefanie Philipps) am hintersten rechten Tisch und liest Zeitschriften, in die sie auch schreibt und die sie auch zerreißt. Das dauert lang, sehr lang, zu lang. Dann Prosit, der Gastgeber, und die fünf anderen Gäste. Belanglose Unterhaltung, immer in einem seltsamen parodistischen Tonfall gehalten, so ausgestellt, pikiert, auf lustig, plötzlich steht eine Frau links vorne auf und singt „All through the night“, in das dann alle einstimmen, auch wieder in sehr ausgestellter Weise, auf lustig, selbst-verarschend, man weiß es nicht, aber ein paar Leute im Publikum lachen. Da es sich hier um die gastronomische Gesellschaft von Berlin handelt, wie man dem Programmfalter entnehmen kann, ist es ein Essen, zu dem man zusammengekommen ist, es gibt Teller und Besteck, und alle essen pantomimisch, davon sieht man, weil die Gäste seitlich sitzen, nicht viel.

Ein ganz ausgefallenes Abendessen (Foto © DIELAEMMER)
Ein ganz ausgefallenes Abendessen (Foto © DIELAEMMER)

Im zweiten Teil, nachdem 5 Diener (die 5 Gäste mit weißen Masken) in einer ausführlichen Umbaupantomime (wozu?) die Tische links vorne nebeneinander aufgestellt haben, sieht man mehr, weil die Gäste ja jetzt zwar auch wieder jeder an einem eigenen Tisch, aber frontal zum Publikum sitzen. Aber nicht viel mehr: auch die zweite Essens-Pantomime ist, bei aller Akribie, eher fad. Bei diesem, dem „ausgefallene Abendessen“, werden die fünf jungen Köche, die Prosit in der Kochkunst herausgefordert und wohl übertroffen haben, gegessen, wie zuletzt sich herausstellt, worauf man sich übergibt und Prosit in der Badewanne, an dessen Rand er auch schon früher einmal Platz genommen, würgt (oder umbringt).

Das Mikrofon, naturgemäß, hat auch eine Funktion: Meyer, die Frau, die am Anfang die Zeitschriften zerstört, tritt immer wieder einmal hinter dieses Mikrofon und gibt Erzähltext von sich (originalen Pessoa-Text, wie zu vermuten ist), tut dies jedoch nicht in einem erzählerischen Ton, sondern mit hochemotionalem Ausdruck, wobei die Emotionen und der Inhalt selbstverständlich nicht zusammenpassen dürfen.

Musik von Wolfgang Fritsch von den Sofa Surfers, sparsam eingesetzt. Kein Video (was erstaunlich ist).

Beim Hinausgehen formt sich der Satz im Kopf: „Und wenn ich jetzt sage, dass es ein Schas ist, sind alle wieder beleidigt.“ Drauf muss ichs ankommen lassen. Und abwarten, ob mir vielleicht jemand ein Verstehen dieses Theaberabends beibringt, das mir aus Unmut und Ablehnung heraushilft. Aber damit ist wohl nicht zu rechnen.