Liebe Kora,
es ist also, und ich hoffe, ich habe das klar zum Ausdruck gebracht, dieser Beruf nicht irgendein Beruf, sondern einer, der glücklich machen kann, aber auch tief unglücklich (in diesem ein Beruf wie jeder andere), und es ist vollkommen ungewiss, ob jemand, der ihn ergreift, sich von ihm ergreifen lässt, imstande sein wird, ein wirkliches Gelingen zu erreichen, auch wenn man alle Arbeit und Leidenschaft aufbringt und nicht nachlässt (Arbeit, denn wie in allen künstlerischen Berufen ist der handwerkliche Aspekt wesentlich, und ich werde im Grunde auch nur darüber schreiben).
Aber ich habe Ihnen nun schon lang genug abgeraten. Und ich will also, wie versprochen, berichten, was in meinen Kursen und Stunden geschieht, und Sie können und müssen dann sowieso selbst entscheiden, ob es sich auszahlt, sich in dieses Abenteuer stürzen zu wollen. Es ist ein Abenteuer. Andererseits mitunter wohl auch eine zähe Gschicht, Mühsal und frustrierend. Es lässt sich mit den Trainingsanforderungen von Spitzensportlern vergleichen: die sitzen acht Stunden täglich am Ergometer und wollen das immer noch lustig finden. Der Trick ist, so Hermann Maier, es tatsächlich zu genießen: die Quälerei nämlich. Wie das geht, müssen Se auch selber herausfinden; wie Sie eh alles selber herausfinden müssen.
Zur Frage der Methode: Keine Methode ist die einzig wahre – auch wenn allerlei Gurus der Schauspielausbildung solches gern behaupten. Und frag fünf Schauspieler, wie sie sich eine Rolle erarbeiten, wirst du vermutlich fünf verschiedene Antworten kriegen. So hab ich, was ich vorgefunden, in einer Mischung in eine Struktur gebracht, die mir brauchbar erscheint. Auch unterscheidet sich die Praxis durchaus von der Ausbildung. Jedenfalls frage ich weniger nach der Methode, sondern schlage vor, dass jede/r die Techniken, die er lernt, in einer Art Werkzeugkasten zusammenstellt und ergänzt und verbessert durch Erfahrungen der Praxis. Und wenn stimmt, was ich durchaus glaube, dass es 20 Jahre dauert, bis man als Schauspielerin „ausgelernt“ ist, machen Praxiserfahrungen den größten Teil der „Ausbildung“ aus (was möglicherweise eine Binsenweisheit ist). Jeder Unterricht kann also nur Grundlagen, Ausgangspunkte, Annäherungen vermitteln. Was also die Methode betrifft, ist Konstantin Stanislawski der Übervater, und sein „psychologischer Realismus“ ist das, worauf alles andere aufbaut, alle „Stile“ auch (selbst die, die sich um Pschologie nicht kümmern wollen).